ARTE-Doku fragt: Streamen wir zu schnell?
Musik ist heute jederzeit verfügbar, in Massen konsumierbar und so personalisiert, dass kaum jemand noch merkt, wie wenig persönlich das Ganze eigentlich ist. Die ARTE Tracks-Doku fragt deshalb zurecht: Hören wir im Streaming-Zeitalter überhaupt noch richtig zu? Zwischen algorithmisch kuratierten Playlists, kurzlebigen Trends und der Jagd nach dem perfekten 30-Sekunden-Hook droht der tiefere Zugang zu Musik verloren zu gehen. Alben als Erzählform? Kaum noch präsent. Aufmerksamkeitsspanne? Eher TikTok als Pink Floyd. Und das größte Kuriosum: Künstlich erschaffene Bands wie The Velvet Sundown, die dank günstiger Sounddatenbanken und smarter KI hunderttausende Streams einheimsen – ohne je einen echten Akkord gespielt zu haben.Die Doku führt diese Entwicklung nicht nur aus, sie stellt ihr auch ganz bewusst Gegenentwürfe gegenüber: Jazz-Sängerin Esperanza Spalding spricht über den therapeutischen Wert von Musik – jenseits von Skip-Buttons und Chart-Platzierungen. Femi Adeyemi, Gründer des Kult-Radiosenders NTS, erklärt, warum seine Playlists von Menschen und nicht von Maschinen erstellt werden. Und Terrence Nguea bringt mit seinem Projekt Mino Menschen dazu, sich Zeit zu nehmen – für ein komplettes Album, ohne Ablenkung, ohne Algorithmus. Der Musiker Valentin Hansen wiederum beweist, dass man auch im Streaming-System noch Lücken finden kann, um kreative Konzepte durchzusetzen.
Was dabei deutlich wird: Musik war mal mehr als Soundtrack zum Kochen, Pendeln oder Sport. Sie war ein Erlebnis, ein Prozess, ein Raum für Reflexion. Die Tracks-Doku ist kein Kulturpessimismus, sondern eine Einladung zum bewussteren Hören. Denn manchmal beginnt echter Musikgenuss nicht beim Drücken auf „Play“, sondern beim Loslassen des Skip-Fingers.